Die Rückkehr der Messen und die Notwendigkeit nachhaltigen Arbeitens in der Messewirtschaft
2022 war das dritte Ausnahmejahr der deutschen Messewirtschaft in Folge: fiel das erste Quartal noch wegen behördlicher Messeverbote nahezu komplett aus, sind spätestens seit dem Herbst rund 70 Prozent der Aussteller und knapp 65 Prozent der Besucher zurück. Dennoch ist als Folge der Verbote, Verschiebungen und Streichungen von Messen seit Anfang 2020 der enorme gesamtwirtschaftliche Schaden im vergangenen Jahr noch weiter gewachsen.
„Wir konnten uns im Laufe des Jahres über den Zuwachs an Messeaufträgen hinaus durch eine Vielzahl von Shop-, Interior- und Museumsprojekten bereits etwas besser behaupten“, so Geschäftsführerin Lena Zeissig zur positiven Entwicklung der ZEISSIG GmbH & Co. KG.
Das angelaufene Jahr 2023 lässt nun erstmals seit Ausbruch der Corona-Pandemie in Deutschland ein komplettes Messejahr mit wenigstens 340 Messen erwarten.
Im veranstaltungsstarken ersten Quartal sind bereits mehr als 110 Messen in Deutschland durchgeführt worden, darunter Leuchttürme wie die Reisemesse ITB Berlin oder die Internationale Dental-Schau IDS in Köln.
Im April herausragend werden u.a. die Weltleitmesse für Architektur und Materialien BAU München und die Weltleitmesse Hannover Messe stattfinden. Auf diesen Messen und vielen anderen im gleichen Zeitraum war bzw. ist ZEISSIG intensiv beschäftigt.
Messen waren und bleiben ein wichtiger Bestandteil im Marketing-Mix der Industrieunternehmen. In einer immer weiter digitalisierten Welt werden Messen als analoge Highlights gebraucht. Gut gemachte Messeauftritte sind dafür prädestiniert, sprechen sie doch alle Sinne an, bringen Vertrauen durch persönliche Begegnungen und können Besucher begeistern. Die Branche wird sich deshalb in diesem Jahr weiter erholen, aber das Niveau von 2019 wohl noch nicht erreichen. Zu stark sind die gesamtwirtschaftlichen Verunsicherungen aufgrund erheblicher Kostensteigerungen, der Energiekrise, fehlender Fachkräfte und dem sich noch immer nicht normalisierten Geschäftsreiseverkehr. Dennoch haben alle Akteure der deutschen Messewirtschaft ihren mehr oder minder ausgeprägten Krisenmodus hinter sich gelassen und können sich somit auch wieder konsequent einem zentralen Zukunftsthema widmen:
Nachhaltiges Wirtschaften als tragende Säule der Unternehmensstrategie nach dem Modell „reduce – reuse – recycle“.
Nachhaltigkeit im Messebau bedeutet für ZEISSIG in erster Linie, der Wegwerfkultur früherer Jahre durch eine innovative Ausstellungsarchitektur mittels individuell gestalteter und dennoch wiederverwendbarer Bauteile zu begegnen. Eine klare Formensprache ermöglicht neben konsequent modularen Konstruktionsprinzipien und gezielter Materialwahl die Nutzung über viele Jahre und damit weitgehende Abfallvermeidung und Ressourcenschonung. Eine notwendige Voraussetzung für die Umsetzung eines solchen Konzepts ist das Vorhandensein großzügiger Lagerkapazitäten. Als Teil der Zukunftsplanung und Wachstumsstrategie hatte ZEISSIG daher Anfang 2019 eine Erweiterungsgenehmigung der vorhandenen Lagerflächen um 2.000 qm bei der zuständigen Bauaufsicht beantragt. Mit dieser Maßnahme sollte auch ein rund 20 km entferntes Mietlager aufgegeben werden, das sehr häufige zeit- und damit kostenintensive und vor allem auch ökologisch unvernünftige Transport- und Pendelfahrten zwischen Fertigungsstätte und Fremdlager erforderte. Die Baubehörde schaffte es allerdings trotz einer zuvor positiv beurteilten Bauvoranfrage nicht, innerhalb eines Jahres den Bauantrag zu bearbeiten und eine Genehmigung zu erteilen – und dann kam Corona.
Alle Zukunftsplanungen, insbesondere die Wachstumsziele waren von heute auf morgen Makulatur. Auch ein erweiterter Lagerbedarf war damit in weite Ferne gerückt. Ebenso war nicht davon auszugehen, dass die Baubehörde ihre Arbeitsintensität während einer Zeit, die im Wesentlichen durch Corona-Abwehrmaßnahmen geprägt war, im Vergleich zum Vorjahr erhöhen wird. Dennoch sollte das Fremdlager aus bereits genannten Gründen aufgegeben werden. Als beste Dauerlösung erwies sich, in eine weitere verfahrbare 6 m hohe Regalanlage, diesmal mit 1.254 Stellplätzen und mehr als 752 t Zuladung zu investieren. Diese wurde mit erheblichem Aufwand in eine erst vor wenigen Jahren in Betrieb genommene Lagerhalle eingebaut, um zwei von vier einfache Lagerbühnen zu ersetzen und damit die Raumausnutzung nahezu zu verdoppeln, wodurch sämtliche bisher im Fremdlager zur Wiederverwendung aufbewahrten Bauteile und Materialien umgelagert werden konnten.
Der Verzicht auf einen möglichen Neubau mit zwangsläufiger Flächenversiegelung, die Nutzenverdoppelung und Fahrwegereduzierung in einer vorhandenen Halle, eine mit der Umrüstung verbundene LED-Beleuchtungsinstallation und die Vermeidung von LKW- und Pendelfahrten zu einer angemieteten Fremdhalle reduzieren den künftigen Energieeinsatz und damit die Co2-Emissionen erheblich und tragen somit nennenswert zum Klimaschutz bei. Eine Genehmigung der Baubehörde für den beantragten Neubau ist im Übrigen bis dato nicht eingegangen.
Schon seit jeher war ZEISSIG bestrebt, die Energiebilanz des Unternehmens mittels wirksamer Einzelmaßnahmen nachhaltig zu verbessern. So werden etwa alle Resthölzer aus der Fertigung, aber auch nicht wiederverwendbare Bauteile aus Holzwerkstoffen geschreddert und in Silos eingelagert, um sie in den Wintermonaten zu verheizen, anstatt sie teuer und umweltbelastend zu entsorgen. Damit werden keine fossilen Brennstoffe benötigt, man ist unabhängig von Preisdiktaten einschlägiger Versorger, belastet keine Mülldeponien und die Energiebilanz ist bereits deutlich verbessert.
Nachdem 2019 mittels einer Machbarkeitsstudie untersucht worden war, welche Sanierungsmaßnahmen zur energetischen Optimierung der Hüllflächen des Verwaltungsgebäudes und der Gebäudetechnik, in Verbindung mit der Schaffung zeitgemäßer, flexibler und effizienter nutzbarer Arbeitswelten, umzusetzen sind, verhinderte auch hier Corona, die erarbeiteten Erkenntnisse in konkrete Planungsschritte zu überführen. Aufbauend auf dieser Studie ist jetzt, nach Wiederkehr eines weitgehend normalen Geschäftsumfangs begonnen worden, die damalige Aufgabenstellung noch umfassender zu formulieren und eine weiter verbesserte Energieeffizienz und Klimaschutzeffekte einzubeziehen.
Das Gebäude in seiner bestehenden Form hat aufgrund des großen Glasanteils der Frontfassaden einen hohen Wärmeeintrag und einen geringen sommerlichen Wärmeschutz, was durch verbrauchsintensive Klimaanlagen ausgeglichen wird. Das Umbaukonzept sieht nun vor, die Glasbauten durch einen doppelgeschossigen Neubau mit vermindertem, Wärmeverlust-optimiertem Glasanteil zu ersetzen und sommerlichen Wärmeschutz zu integrieren. Dies senkt nicht nur Wärme- und Kühlbedarf, sondern sichert auch die langfristige Nutzung des Gebäudes bei Eintreten der wahrscheinlichen Klimawandelfolgen. Gemeinsam mit einer energetischen Sanierung der sonstigen Gebäudehülle in Verbindung mit der ebenso im Konzept eingeplanten regenerativen Wärme- und Energiegewinnung, wird eine signifikante Senkung der Co2-Emissionen einhergehen. Der Zielzustand der Umbaumaßnahme bricht zudem mit der klassischen Bürostruktur, generiert mehr Flächen für Zusammenkunft und Austausch und schafft die Voraussetzung für hybride Arbeitsweisen.
Eine weitgehend klimaneutrale Energieerzeugung soll dadurch erreicht werden, dass die bereits erwähnte Restholznutzung nicht mehr nur Heizzwecken dient, sondern durch eine Kraft-Wärme-Kopplungs-Installation künftig auch Strom erzeugen wird. Da im Sommerhalbjahr mangels Wärmebedarf eine sehr geringe Energieerzeugung berücksichtigt werden muss, wird eine weitere Photovoltaikanlage mit Speicher die Installation ergänzen. Diese wird nur so dimensioniert, dass ein vollständiger Eigenverbrauch sichergestellt ist, aber auch der sukzessiv auf Elektro- oder Hybridfahrzeuge umgestellte PKW-Fuhrpark eine möglichst hohe Energieaufnahme direkt hieraus beziehen kann.
Die weitere technische Ausgestaltung misst sich an modernsten Möglichkeiten. Das Konzept sieht vor, die Beleuchtung auf eine adaptive helligkeits- und präsenzorientierte Steuerung umzurüsten und ein sensorgestütztes Energiemanagement einzubeziehen. Auch die Fertigungshallen profitieren durch den Heizungstausch, die Verbesserung der Abluftsituation mit optimierter Abwärmenutzung und weitergehende Dämmmaßnahmen.
Mit diesen Vorhaben wird bereits ein wesentlicher Anteil auf dem Weg zur energetischen Transformation des Unternehmens erreicht sein. Das wird deutlich durch den Grad an Einsparquoten. In den Bilanzkreisen der anvisierten Maßnahmen errechnet sich eine Verminderung des jährlichen Energiebedarfs von 242 MWh, entsprechend einer Ersparnis von 60,6 % bzw. einer jährlichen Co2-Reduzierung um 124,2 t.
„Wir halten das für mehr als respektabel, auch wenn wir damit noch deutlich von einer allerorten angepeilten Klimaneutralität entfernt sind. Ökostrom bis 2025 – Klimaneutralität bis 2035 – solch konkrete Zielsetzungen sehen wir problematisch, denn man wird daran gemessen werden und bei Verfehlung sich erklären müssen, was ja aktuell schon vielfach zu beobachten ist. Auch unvorhersehbare Ereignisse beeinflussen die Zielerreichung, wie wir alle seit ein paar Jahren wissen. Und die Finanzierbarkeit von Klimaschutzmaßnahmen sollte man nicht zuletzt im Auge behalten. Also: besser das machen was möglich ist – technisch wie finanziell – und nicht wegen überambitionierter Zielvorgaben seine Aktivitäten auf teils fragwürdige Kompensationsmodelle konzentrieren“, erläutert Geschäftsführer Hartmut Zeissig seine persönliche Sichtweise.